Die 4. Tonne - Ein unterhaltsamer Kommentar zum Umgang mit der Ressource „Papier“ - von Dr. Frank Zimmer

Papiertonne grün
Bildrechte NN

Die vierte Tonne

Jedes Jahr startet mit guten Vorsätzen. Einer davon ist– zumindest bei mir – etwas mehr Ordnung ins Leben zu bringen. Da wir dem Abfuhrtermin fürs Altpapier jedes Mal wie ein Verdurstender entgegenhecheln, beschloss ich, dem Ganzen mit einer Kapazitätssteigerung zu begegnen. Ab 01.01.2020 haben wir – das Pfarramt eingeschlossen – nun vier Altpapiertonnen von je 240 Liter Volumen, oder in Gewicht gerechnet bis zu insgesamt 300 kg (vorherige „Trampolinsprünge“ zur Verdichtung miteingerechnet).
 

Es überrascht kaum, dass weit über 90% der immer größer werdende Papierflut aus (landes-)kirchlichen Wichtigkeiten besteht, die uns täglich inspirieren sollen. Dabei ist es atemberaubend zu sehen, wie viele Dienste, Fachstellen, Institutionen und andere überparochiale Einrichtungen es in unserer Landeskirche gibt. Viele davon mit klugen und fachkundigen Theologen besetzt. Natürlich müssen all diese Stellen permanent ihre Existenzberechtigung nachweisen. Deshalb werden dort ständig allerlei lustige Ideen entwickelt, was rund um Gottesdienst, Kasualien, Schule oder Konfirmandenarbeit noch alles in den Gemeinden angeboten werden könnte. Dazu werden aufwändige Broschüren, Fragebögen, Arbeitshilfen, Leitlinien, Workshops und Erprobungsmodelle detailreich entworfen und liebevoll gestaltet. Der Nutzen für meinen Gemeindealltag liegt in der Regel bei Null.

Landesweite Dienste nennt man diese Art kirchlicher Stellen, die neben den vermeintlichen Segnungen für die (Land)gemeinden auch für viele Theologen unbestreitbare Vorteile haben: Kein nerviger Religionsunterricht, planbare Arbeitszeiten, ein klar definiertes Arbeitsfeld mit oftmals vorsortiertem Publikum. Gabenorientiertes Nischendasein. Deshalb sind diese Stellen, die sich fast ausschließlich in den großen Städten finden, so gewichtig[1].

Nun steht uns – wie jeder weiß - in der Region Thalmässing ein großer Umbruch bevor: Diakon Michel geht Ende des Jahres in Ruhestand. Seine Stelle wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem neuen Landesstellenplan zum Opfer fallen. Statt zu fünft werden wir ab 2021 nur noch zu viert sein. Aber nur wenn wir Glück haben. Findet sich für das bald vakante Alfershausen-Heideck kein geeigneter Bewerber, dann müssen wir den Laden zu dritt zusammenhalten. Dass dies mit schmerzlichen Einschnitten für alle beteiligten Kirchengemeinden einhergeht versteht sich von selbst.

In den nächsten Jahren werden 10% der Gemeindepfarrstellen gestrichen. Die Begründung scheint einleuchtend: die Anzahl an Evangelischen geht zurück und, was schwerer wiegt: es gibt zu wenig Pfarrer und Pfarrerinnen die überhaupt noch zur Verfügung stehen. Wie gut, dass es da noch so viele Theologen in den landesweiten Diensten gibt. Allein im Amt für Gemeindedienst (Sitz in Nürnberg) ist soviel Personal beschäftigt, dass man damit problemlos ein kleineres Dekanat voll bestücken könnte. Eine 10% Personalkürzung gibt es dort übrigens nicht. Bei LWDs wird lediglich das Budget heruntergefahren, was genauso gut über anderweitige Einsparungen geht.

Manch einer mag das schade finden, dass die (Land-)Gemeinden personell gerupft werden. Auch staatliche Amtsträger, die sich in unserem Landkreis dazu unter der Hand äußern, verstehen diese Politik nicht. Hier werden die letzten noch klassisch funktionierenden Strukturen[2] an die Wand gefahren, die letzten fähigen Leute in den Gemeinden verheizt.

Dabei bin ich der Letzte, der sinnvolle Unterstützung nicht annimmt. So ist das KiTa-Geschäftsführermodell, das unser Dekanat auf die Beine gestellt hat, eine Erfolgsgeschichte. Gerade im Bereich Verwaltung würde ich mir noch viel mehr an landeskirchlicher Hilfe wünschen. Bei der Umsetzung von Gesetzesvorschriften, Bautätigkeiten[3], der Verwaltung von Friedhöfen, Pfarrhäusern[4], kompetenter Finanzverwaltung[5], um nur einige der Themenfelder zu benennen. Hier ist überall noch viel Luft nach oben.

Diese hilfreichen Dienste können übrigens von nicht-theologischem Personal zuverlässig und kompetent erledigt werden. Stockt man diese Stellen auf und reduziert auf der anderen Seite die Sonderpfarrstellen, dann hätte man auch wieder mehr Theologen für die (Land)Gemeinden. Und ich könnte dann auch wieder die vierte Altpapiertonne abbestellen.

Ihr Pfarrer Dr. Frank Zimmer

Sie können den Text auch hier als pdf herunterladen:

[1]  Auch das Landeskirchenamt in München ist von Meiserstr.13 auf Katharina-von-Bora Str. Nr. 7+9+11+13 auf vier Häuser angewachsen. Da lässt es sich gut sitzen.

[2]  Von unseren Kirchenaustrittszahlen (2019 in St. Gotthard und in St. Michael nur je einer, also 0,08% bzw. 0,12%) kann man landesweit nur träumen.

[3]  Im Januar erkrankte der(!!) landeskirchliche Architekt länger. Rien ne va plus (frz. nichts geht mehr) für unsere Baustellen.

[4]  Es ist ein Unding – und vermutlich auch illegal – dass ich als (de facto) Mieter im Pfarrhaus meine eigene Nebenkostenabrechnung erstelle. Diese ist zudem wegen der Zusammenveranlagung mit Gemeindehaus und Zentralem Büro recht kompliziert.

[5]  Bei Kirchens leider oft ein Widerspruch in sich selber…….